Aufarbeitungskommission untersucht sexuellen Kindesmissbrauch bei den Zeugen Jehovas

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs ruft Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auf, von ihren Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas zu berichten.

Berlin, 19.05.2022 Weltweit sind Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas bekannt geworden. Der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs wurden ebenfalls Fälle aus der Vergangenheit gemeldet. Die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas hat bislang keine unabhängige Aufarbeitung gestartet. Darum muss davon ausgegangen werden, dass diese Berichte heute immer noch relevant sind. Die Schilderungen von ehemaligen Mitgliedern lassen zudem darauf schließen, dass es bei den Zeugen Jehovas spezifische Bedingungen im Umgang mit sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen gibt, welche die Aufklärung und auch die Aufarbeitung erschweren. Bisher fehlen Kenntnisse über das Ausmaß sexuellen Kindesmissbrauchs in der Gemeinschaft in Deutschland.

Prof. Dr. Heiner Keupp, Mitglied der Kommission:

„Um mehr Wissen über sexuellen Kindesmissbrauch in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas zu erhalten, sind die persönlichen Erfahrungen von Betroffenen, aber auch von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen enorm wichtig. Darum möchten wir sie ermutigen, sich bei der Kommission zu melden und sich ihr anzuvertrauen.“

Wie können Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten?

Die Kommission bietet die Möglichkeit, in einer vertraulichen Anhörung in geschützter Atmosphäre über die Erfahrungen zu sprechen oder einen schriftlichen Bericht zu verfassen und ihr zu schicken. Alternativ zur vertraulichen Anhörung vor Ort kann das Gespräch online per Video durchgeführt werden.

Die Kommission geht mit allen Geschichten vertraulich um. Sie werden in pseudonymisierter Form von der Kommission ausgewertet und fließen in ihre Berichte ein.

Münchner Missbrauchsgutachten

Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) stellt Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising vor.

Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtliche Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising von 1945 bis 2019

https://westpfahl-spilker.de/…/WSW-Gutachten…

Erste Stellungnahme:

https://www.katholisch.de/artikel/32801-nach-gutachten-marx-bittet-um-entschuldigung-fuer-missbrauch-in-kirche

Portal mit 100 Geschichten Betroffener veröffentlicht

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs will Betroffenen eine Stimme geben und ihre Erfahrungen sichtbar machen. Dafür startet sie ein in Deutschland bisher einzigartiges Projekt: Ein Internetportal mit 100 Geschichten betroffener Menschen.

Mit ihren Berichten legen die Betroffenen ein vielfältiges Zeugnis ab über das erlebte Unrecht und Leid, aber auch über Hilfe in der Kindheit. Über die Folgen des Missbrauchs, aber auch über Kraft, Mut und Wege, das Geschehene zu bewältigen. Sie berichten unter einem Pseudonym von Missbrauch in der Familie, im sozialen Umfeld, im Sportverein, in der Schule, in der Kirche, im Heim oder auch in organisierten Strukturen.

„Jede einzelne dieser Geschichten ist wichtig und zählt. Mit dem Portal Geschichten, die zählen wollen wir einen würdigen Ort schaffen für die vielfältigen Berichte betroffener Menschen. Unser Dank und unsere Anerkennung gehören den Betroffenen, die sich uns anvertraut haben“, sagte Kommissionsmitglied Brigitte Tilmann zum Start des Portals.
Kommissionsmitglied Matthias Katsch ergänzte: „Nicht jeder betroffene Mensch kann über die sexuelle Gewalt in der Kindheit oder Jugend sprechen oder schreiben. Sie haben auch das Recht, darüber zu schweigen. Die Geschichten auf dem Portal stehen daher stellvertretend für die vielen nicht erzählten Geschichten“.

Das Geschichten-Portal leistet als Gedächtnisort einen bedeutenden Beitrag für die gesellschaftliche Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Es ist seit heute unter der Internetadresse www.geschichten-die-zählen.de erreichbar.

Verschickungskinder in NRW -Studie veröffentlicht

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hat am Montag (17. Januar 2022) eine Studie zur Vorbereitung der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Kinderverschickung vorgelegt. Bis in die 1990er-Jahre hinein sind Hunderttausende Heranwachsende aus Nordrhein-Westfalen von staatlichen Stellen zu mehrwöchigen Aufenthalten in Kurheimen, insbesondere an Nord- und Ostsee, verschickt worden.

Die Studie ist auf der Internetseite des MAGS hier verfügbar. Außerdem kann sie unter www.verschickungsheime.de auf der Seite der Initiative Verschickungskinder heruntergeladen werden.

Selbsthilfegruppe angesiedelt beim Kinderschutzbund

Nordkreis Nicht immer haben Kinder in Heimunterkunft verständnisvolle Unterstützung erfahren. Eine Selbsthilfegruppe, angesiedelt beim Kinderschutzbund, möchte Anlaufstelle für Betroffene sein, denen Schlimmes widerfahren ist.

Sie engagieren sich für Kinder, Jugendliche und Familien: Ernst Christoph Simon, Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe Ehemaliger Heimkinder in der Städteregion Aachen (SEHKA), und Ulla Wessels, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Würselen, Alsdorf Herzogenrath. Foto: MHA/Karl Stüber

Es gibt Bücher und Filme, Interviews und Berichte mit und über ehemalige Heimkinder, denen in ihrer Jugend Schlimmes angetan wurde. Es geht um Aufwachsen in Lieblosigkeit, kalte Strenge, die Erfahrung von Gewalt, Misshandlung und Missbrauch, schwere Arbeit und vorenthaltene Bildung. Das hat lebenslange Spuren hinterlassen. Aber es ist schon eine andere Qualität, einem der Betroffenen persönlich zu begegnen und zu erleben, welche Kraft und Mut dazu gehören, öffentlich über das eigene Schicksal zu sprechen – und obendrein anderen Opfern zu helfen. Ernst Christoph Simon ist einer von ihnen. Er ist ein Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe Ehemaliger Heimkinder in der Städteregion Aachen (SEHKA), die in der Geschäftsstelle des Kinderschutzbundes an der Bardenberger Straße in Würselen untergebracht ist (siehe Info). Der studierte Diplom-Betriebswirt ist zudem Mitglied im begleitenden Arbeitskreis ehemaliger Heimkinder beim Landschaftsverband Rheinland, der sich seit Jahren mit der Thematik befasst.

Da geht es unter anderem um Fragen der Anerkennung und der Entschädigung. „Die Selbsthilfegruppe hier befindet sich noch im Aufbau“, sagt Simon. Der Kinderschutzbund in Würselen mit Geschäftsführerin Ulla Wessels ist seit Herbst 2020 Anlaufstelle für die Region und bietet in Kooperation mit dem LVR Förderung bei allen Fragen rund um diese Zeit an. Verbunden ist damit ein Netzwerk von Betroffenen und Fachleuten. Traumatische Erlebnisse wollen aufgearbeitet werden, Betroffene wollen ihren Frieden finden – endlich. Für ältere ehemalige Heimkinder entsteht zusätzlich im Alter die „Bedrohung“ einer erneuten Heimunterbringung – jetzt in einem Alters- oder einem Pflegeheim. Info

Neben Ernst Christoph Simon sind weitere Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe Ehemaliger Heimkinder Professor Dr. phil. Ulrich Deller (Diplom-Pädagoge) . Kontakt zur Selbsthilfegruppe, die in der Bardenberger Straße 1 in Würselen angesiedelt ist, können Hilfe und Rat Suchende per E-Mail info@sehka.org oder unter 02405/426831 montags bis freitags jeweils zwischen 8 und 13 Uhr aufnehmen. Umfangreiche Informationen sind unter www.sehka.org zu finden.

„Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet“, sichert er zu und ermutigt Betroffene, sich zu melden. Die durch die Pandemie bedingten Einschränkungen haben die Arbeit zwar behindert. So sind die Angebote der Selbsthilfegruppe zunächst nur von wenigen wahrgenommen worden. „Wir wissen aber, dass ein großer Bedarf da ist.“ Gerade durch Berichterstattung zu Verschickungskindern und Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen kommen die Erinnerungen hoch. Zudem sind Opfer von damals mittlerweile in die Jahre gekommen, in denen man Lebensbilanz zieht und sich Verdrängtes wieder in den Vordergrund schiebt, alte Ängste und Gefühle inbegriffen.

Simon hat acht Jahre Heimerziehung erlebt, die er ohne den Beistand seines älteren Bruders nicht überstanden hätte, wie er bekennt. Sein erschütternder Bericht ist unter https://sehka.org/biografie nachzulesen. Sicherlich sind die Verhältnisse in den Heimen von damals nicht mit denen von heute zu vergleichen, betont Simon: „Subtile Quälerei gibt es aber immer noch.“ Strafen seien aber völlig ungeeignet, um Kinder gesellschaftsfähig zu machen. Er will dazu beitragen, Opfern Gehör zu verschaffen und ihnen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. „Es gibt uns. Wir sind da!“ Seiner Erfahrung nach gebe es eine „Machtasymmetrie“ in der Kinder- und Jugendhilfe. Freie Initiativen stünden in Konkurrenz mit der öffentlichen Jugendhilfe. Er tritt nun für einen „Austausch auf Augenhöhe“ ein.

Karl Stüber Aachener Nachrichten(ks)

Erzbistum Köln: 2,8 Millionen Euro für Gutachten zu Missbrauchsfälle

Das Erzbistum Köln hat sehr viel Geld rund um Gutachten über sexuelle Gewalt durch Geistliche ausgegeben – deutlich mehr, als bislang an die Opfer dieser Gewalt ging. Kirchenreformer sind fassungslos.

Es ist ein weiteres Detail der Aufarbeitungs-Versuche der katholischen Kirche, das Maria Mesrian von der Reformbewegung „Maria 2.0“ fassungslos macht. Insgesamt 2,8 Millionen Euro hat das Erzbistum Köln nach eigenen Angaben rund um ein umstrittenes Gutachten zur Aufarbeitung von sexueller Gewalt ausgegeben.

Das sind sehr hohe Summen, so Mesrian – „wenn man die in Vergleich setzt mit Zahlungen, die bisher an Betroffene geleistet wurden, die sich auf rund 1,3 Millionen Euro belaufen, dann ist es eine erschreckende Zahl, die da ausgegeben wurde.“

600.000 Euro für Rechtsberatung, 800.000 Euro für Krisenmanagement

Weil ein erstes juristisches Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen nicht veröffentlicht werden sollte, wurde ein zweites bestellt. Kosten für beide Gutachten: 1,3 Millionen Euro. Dazu kamen fast 600.000 Euro für rechtliche Beratung. Weil dann die öffentliche Diskussion rund um den Umgang mit dem ersten Gutachten aufflammte, musste das Erzbistum nochmal viel Geld ausgeben: knapp 800.000 Euro für externes Krisenmanagement. Gesamtsumme: 2,8 Millionen Euro.

„Jeder Cent, der da bezahlt wurde, ist in meinen Augen sinnlos ausgegeben.“

Maria Mesrian von „Maria 2.0“

Maria Mesrian bei einer Kundgebung, bei der Gläubige aus dem Erzbistum Koeln und Aktivisten der Bewegung Maria 2.0 das Verhalten der Kirche und Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki bei der Aufarbeitung des Missbrauchskandal kritisieren.

Maria Mesrian bei einer Kundgebung im Sommer 2021

Die hohen Kosten seien gerade aus Sicht der Betroffenen besonders schmerzhaft, sagt Mesrian – die „müssen oft durch jahrelang erniedrigende Prozesse gehen, um 5000 Euro zu erhalten.“

Erzbistum Köln spricht von einer „ganz schwierigen Situation“

Dass 2,8 Millionen Euro rund um das Gutachten zur Aufarbeitung sehr viel Geld sind, räumt auch das Erzbistum Köln ein: „Das ist eine sehr große Summe, unser Delegat hat das ausdrücklich bedauert. Er hat es aber auch begründet mit der Ausnahme-Situation, die da geherrscht hat“, sagt Sprecher Christoph Hardt.

Die Aufarbeitung sei juristisch und publizistisch Neuland gewesen. Hardt betont aber, dass die Gelder nicht aus Kirchensteuermitteln gezahlt wurden. Sie kommen aus einem Sondervermögen des Bistums. „Es war eine ganz schwierige Situation – auch mit dem nicht veröffentlichten Gutachten.“

Maria 2.0: Mediale Ausnahmesituation als Begründung „lächerlich“

Das Erzbistum und Kardinal Woelki wurden im Zuge der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe immer wieder massiv kritisiert – vor allem, weil das Bistum ein Gutachten wegen angeblicher juristischer Mängel im vergangenen Jahr zurückgehalten und stattdessen ein neues beauftragt hatte.

Dass die hohen Kosten im Erzbistum jetzt auch auf die mediale Ausnahmesituation nach dem Stopp des ersten Gutachten geschoben wird, findet Maria Mesrian fadenscheinig. „Es ist in meinen Augen natürlich lächerlich. Man hat einfach nicht das Gutachten bekommen, was man sich wünschte, nämlich ein Gutachten, in dem alle von ihren Verantwortlichkeiten freigesprochen werden.“ Das Bistum habe damit nicht umgehen können, „dass die Medien einfach berichtet haben, was da an Unstimmigkeiten vor sich geht.“

Hoffnung auf weitere Aufarbeitung

Die mediale Ausnahmesituation im Erzbistum Köln hat sich mittlerweile etwas gelegt. Päpstliche Gutachter hatten im Sommer den Umgang der Bistumsleitung mit den Missbrauchsfällen untersucht und Kardinal Woelki Fehler attestiert – der daraufhin entschied, bis Ostern eine Auszeit zu nehmen. Maria Mesrian und viele andere Reformer in der Kirche reicht das nicht aus. Sie hoffen, dass die Aufarbeitung rund um die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche weitergeht.

https://www1.wdr.de/nachrichten/erzbistum-koeln-kosten-gutachten-100.html

Diskussion um die Musterverordnung

Wieder hat die EKD eine Musterordnung über Einordnung über die sexualisierte Gewalt veröffentlich.

Wir sehen das anders:

Es ist schwer sich mit mächtigen und reichen Institutionen (asymetrische Machtverhältnisse) auseinanderzusetzen, die offensichtlich kein rechtes Interesse an Aufklärung haben.

Solange dieses asymetrische Machtverhältnis besteht, ist diese ganze Musterveordnung eine Farce

Wir müssen davon weg kommen, das die Täter wieder die Opfer bestimmen!!

Umstrittener Bussgottesdienst zum Mißbrauchsskandal

Weihbischof Rolf Steinhäuser will am 18. November als Administrator des Kölner Erzbistums in einem Gottesdienst im Kölner Dom Buße tun für die Sexualverbrechen katholischer Priester. Dazu sind auch Betroffene sexualisierter Gewalt eingeladen. Manche kritisieren die Feier, andere sehen darin eine Chance.

hierzu siehe mehrere Artikel :

https://de.catholicnewsagency.com/story/sexueller-missbrauch-bussgottesdienst-im-koelner-dom-geplant-9426

https://www.aachener-nachrichten.de/nrw-region/bistum-glaube/umstrittener-bussgottesdienst-zum-missbrauchsskandal

https://rp-online.de/panorama/religion/kommentar-warum-ein-bussgottesdienst-in-koeln-jetzt-nicht-richtig-ist_aid-63864013

…..

Die aktuelle Debatte um die Feier zeigt, wie angespannt die Situation im Erzbistum weiterhin ist. Denn eine „Neuheit“ ist diese Form des Büßens – auch im unmittelbaren kirchlichen Raum – nicht. Schon im November 2010 tat Bischof Franz-Josef Bode Buße für die Sexualverbrechen katholischer Priester, indem er sich im Osnabrücker Dom vor 650 Gläubigen vor dem Altar auf den Boden legte.

(Und hat sich das ausgewirkt — leider nein )