31.01.2025 – Einstimmig hat der Bundestag das „Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ beschlossen. Damit wird die Arbeit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gestärkt. Die Arbeit von Aufarbeitungskommission und Betroffenenrat wird langfristig gesichert.
Die Mitglieder der Aufarbeitungskommission begrüßten die Verabschiedung des Gesetzes. Damit würden die Rechte Betroffener sowie die Rolle der Aufarbeitungskommission gestärkt.
Mit dem Gesetz wird der Betroffenenrat, angesiedelt bei der Unabhängigen Beauftragten, ebenso verstetigt wie die Aufarbeitungskommission. Die Kommission kann damit weiter Anhörungen von Betroffenen und öffentliche Hearings durchführen sowie Forschungsprojekte anstoßen. Zusätzlich soll die Beratung von Institutionen, die aufarbeiten wollen, verstärkt werden. Die Kommissionsvorsitzende Julia Gebrande betonte, das lasse die Kommission positiv in die Zukunft schauen und Kraft schöpfen für den weiteren herausfordernden Weg. Denn auch wenn das Gesetz auf vielfache Weise die Unterstützung Betroffener sexualisierter Gewalt verbessere, gebe es wichtige Punkte, die von einer zukünftigen Regierung im Koalitionsvertrag berücksichtigt, noch weiter ausgebaut und vor allem mit Ressourcen unterlegt werden müssten:
- Betroffene müssen ein umfassendes Akteneinsichtsrecht erhalten. Es darf nicht nur für die Kinder- und Jugendhilfe gelten, sondern muss auch andere Bereiche wie Schule, Sport und Kirchen mit einbeziehen und möglichst niedrigschwellig gewährt werden.
- Das Gesetz ist keine Garantie dafür, dass Institutionen ausreichend Verantwortung hinsichtlich der Aufarbeitung übernehmen. Daher müssen sie verpflichtet werden, bekannt gewordene Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs umfassend aufzuarbeiten. Die Kommission muss diese Pflicht durchsetzen können.
- Die finanzielle und personelle Ausstattung der ehrenamtlich arbeitenden Kommission und ihres Büros muss verbessert werden. Nur so kann sie die zusätzlichen Aufgaben erfüllen, die das Gesetz ihr anvertraut. Dazu gehören etwa die Förderung, Unterstützung, Beobachtung und Begleitung der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR sowie die Verpflichtung zur Berichtslegung.
- Damit die Kommission ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen kann, ist es unabdingbar, dass ihre Mitglieder und ihre Anhörungsbeauftragten ein Zeugnisverweigerungsrecht erhalten, insbesondere im Strafverfahren.
Auch die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, begrüßte das Gesetz. Der Kampf gegen sexualisierte Gewalt von Kindern und Jugendlichen habe auch in Zeiten des Wahlkampfes fraktionsübergreifend Priorität. Gerade für Betroffene sei dies – exakt 15 Jahre nach dem Beginn des sogenannten Missbrauchsskandals – ein immens wichtiges Zeichen politischer Verantwortungsübernahme. Sie lobte, dass insbesondere die im Gesetz festgeschriebene regelmäßige Berichtspflicht gegenüber Bundestag und Bundesrat dazu beitragen werde, dass Politik durch das Gesetz künftig noch zielgerichteter agieren könne.
Die Heimerziehung in den 1940er- bis 1970er-Jahren in der damaligen Bundesrepublik und bis 1989 in der ehemaligen DDR hat Kinder und Jugendliche nicht nur in ihren Menschenrechten verletzt. Die Folgen der erfahrenen (sexualisierten) Gewalt sind tiefgreifend und begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Dem gesellschaftlichen Umgang mit der Gewalt in den damaligen Institutionen kommt daher eine wichtige Bedeutung für den individuellen wie kollektiven Aufarbeitungsprozess zu. Bis heute sind zudem viele Kinder von sexualisierter Gewalt in Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe und der Behindertenhilfe betroffen, in denen sie Schutz und Fürsorge bekommen sollten. Viele Betroffene kämpfen damals wie heute um Anerkennung ihres erlebten Unrechts. Die nach dem Runden Tisch Heimerziehung eingerichteten Fonds „Heimerziehung West“ und „Heimerziehung in der DDR“ stehen zurecht in der Kritik. Die Leistungen sind vielfach nicht ausreichend. Sie haben Betroffene teilweise nicht erreicht oder ihnen unzumutbare Hürden auferlegt und dadurch erneut zu Demütigungen geführt. Bisher steht die Aufarbeitung noch vor vielen offenen Fragen: Wer übernimmt Verantwortung für das erlittene Unrecht? Welche Strukturen in den Heimen begünstigten sexualisierte Gewalt? Wie kann eine staatliche Verantwortungsübernahme durch Politik und Gesellschaft erfolgen? In dem Hearing werden Betroffene von sexualisierter Gewalt in Heimen die Gelegenheit haben, über das erlebte Unrecht zu sprechen. Darüber werden sie sich gemeinsam mit weiteren Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung und Praxis austauschen. Wir laden Sie herzlich zur Teilnahme an unserem Hearing „Heimkindheiten hinter Schweigemauern: Betroffene haben ein Recht auf Aufarbeitung!“ am 17. Juni 2025 in Berlin ein. Bitte merken Sie sich den Termin vor. Die Veranstaltung wird in Leichte Sprache und Gebärdensprache übersetzt. Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung lassen wir Ihnen zukommen. Sie können uns Ihre Anregungen für das Hearing über diesen Link bis zum 15. April 2025 mitteilen: |