„Wir brauchen ein gesetzlich verankertes Recht auf Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.“

Pressemitteilung

29. Juni 2022

„Wir brauchen ein gesetzlich verankertes Recht auf Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.“

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs setzt ihre Arbeit mit zwei neuen Mitgliedern fort. Neben einer gesetzlichen und über das Jahr 2023 hinausgehenden Arbeitsgrundlage macht sich die Kommission gemeinsam mit der Unabhängigen Beauftragten für ein gesetzlich verankertes Recht für Betroffene auf Aufarbeitung stark.

Berlin, 29.06.2022. Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hat heute zwei neue Mitglieder in die bei ihr angesiedelte Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs berufen: Prof. Dr. Silke Gahleitner, Professorin an der Alice Salomon Hochschule Berlin mit den Schwerpunkten Klinische Psychologie und Sozialarbeit sowie Prof. Dr. Julia Gebrande, Professorin an der Hochschule Esslingen mit den Schwerpunkten Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Soziale Arbeit nach traumatischen Erfahrungen. Sie folgen auf Brigitte Tilmann und Prof. Dr. Peer Briken, die nach langjährigem Engagement ihr Ehrenamt als Mitglieder der Kommission beendet hatten.

Die Unabhängige Beauftragte, Kerstin Claus, begrüßte die neu berufenen Mitglieder der Kommission und würdigte das bisher außerordentliche Engagement des Gremiums: „Ich freue mich, dass wir mit Prof. Dr. Silke Gahleitner und Prof. Dr. Julia Gebrande zwei neue Kommissionsmitglieder gewinnen konnten, die ein hohes Maß an Fachwissen im Themenfeld und ausgewiesene Expertise in ihren Professionen mitbringen. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, die wichtige und herausragende Arbeit der bei meinem Amt angesiedelten Aufarbeitungskommission weiter zu verstetigen und zu stärken. Ich werde mich gemeinsam mit der Kommission für ein kontextübergreifendes Recht von Betroffenen auf Aufarbeitung einsetzen. Ob und wie Aufarbeitung gelingt, dürfen wir nicht dem Zufall überlassen. Sie braucht qualitativ verbindliche Standards sowie ein starkes staatliches Mandat.“

Damit die Rechte und Pflichten in Aufarbeitungsprozessen zukünftig verbindlicher geregelt sind, fordern Kommission und UBSKM gemeinsam, für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs im Rahmen der im Koalitionsvertrag vorgesehenen gesetzlichen Regelung für das UBSKM-Amt eine verbindliche Grundlage zu schaffen. Mit dem Gesetz sollen Betroffene das Recht auf Aufarbeitung erhalten, wie etwa Akteneinsichts- und Auskunftsrechte. Institutionen sollen zur Aufarbeitung verpflichtet werden. Um die Verwirklichung der Rechte und Pflichten zu gewährleisten, ist zudem eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Kommission notwendig.

„Staat und Gesellschaft haben eine Verantwortung gegenüber Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. Sie wurden nicht gut genug geschützt. Ein ausreichendes Bewusstsein für diese Verantwortung und die notwendige klare Haltung im Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch sehen wir in vielen gesellschaftlichen Bereichen bis heute nicht“, betont Kommissionsmitglied Prof. Dr. Julia Gebrande. „Um Betroffene besser zu unterstützen, brauchen wir ein gesetzlich geregeltes Recht auf Aufarbeitung. Dieses soll Betroffene stärken, wenn sie Missbrauch erlebt haben beispielsweise im kirchlichen Bereich, im Sport oder in Schulen. Auch Jugendämter sollen aus der Vergangenheit lernen, um künftig besser zu schützen. Hierzu soll das Gesetz Institutionen, in denen Fälle bekannt geworden sind, zur Aufarbeitung verpflichten“, so Kommissionsmitglied Prof. Dr. Silke Gahleitner.

Der Betroffenenrat bei der UBSKM begrüßt die Berufung der neuen Kommissionsmitglieder: „Der Betroffenenrat freut sich, dass mit der Berufung der neuen Mitglieder in die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs diese nun mit neuer Kraft und Erfahrung ihre so wichtige Arbeit fortführen kann. Immer parteilich und menschlich widmet sich die Kommission der notwendigen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Deutschland und schaut hin, wo Staat und Gesellschaft zum Teil bis heute wegschauen oder vertuschen. Gemeinsam werden wir weiter um eine bessere Ausstattung und gesetzliche Grundlage auch für die Kommission kämpfen. Wir wünschen den neuen Mitgliedern viel Energie und Ausdauer und freuen uns auf die kommende Zusammenarbeit.“

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs untersucht seit 2016 Ausmaß, Art und Folgen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Kern ihrer Untersuchungen sind vertrauliche Anhörungen und schriftliche Berichte von heute erwachsenen Betroffenen, die in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt in Institutionen, im familiären und sozialen Bereich sowie organisierten Strukturen ausgesetzt waren. Der Kommission gehören sechs ehrenamtliche Mitglieder an. Die aktuelle Laufzeit der Kommission endet im Dezember 2023.

Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die der Kommission über sexuellen Kindesmissbrauch berichten möchten, können sich telefonisch (0800 4030040 – anonym und kostenfrei), per E-Mail oder Brief an die Kommission wenden. Weitere Informationen zur vertraulichen Anhörung – auch online per Video – und zum schriftlichen Bericht sowie alle Kontaktdaten finden Sie unter www.aufarbeitungskommission.de.

www.beauftragte-missbrauch.de

Twitter: @ubskm_de

Instagram: @missbrauchsbeauftragte

Missbrauchs-Gutachten für das Bistum Münster: Bischöfe haben versagt

Ehemalige und heute noch aktive Kirchenverantwortliche haben nach dem Missbrauchs-Gutachten für das Bistum Münster große Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen begangen. Die Bischöfe Michael Keller (Amtszeit 1947-1961), Joseph Höffner (1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) hätten verurteilte Geistliche immer wieder in der Seelsorge eingesetzt und damit weitere Taten ermöglicht, heißt es in der am Montag von der Universität Münster vorgestellten Untersuchung.

610 Menschen von Missbrauch betroffen

Die Untersuchung zählt nach Auswertungen von Akten und Betroffenen-Interviews 610 Betroffene und 196 Beschuldigte zwischen 1945 und 2020. Damit liegt die Zahl der Beschuldigten um ein Drittel höher als in der 2018 vorgestellten MHG-Studie der Bischofskonferenz. Die Gründe seien, dass Zeitraum und Methoden variierten und sich weitere Betroffene gemeldet hätten.

Missbrauchsvorwürfe betreffen 4,1 Prozent aller Priester zwischen 1945 und 2020. 40 Prozent der Beschuldigten seien Mehrfachtäter. Neun von zehn Beschuldigten hätten keine strafrechtlichen Konsequenzen erfahren.

Kirche ist Täterorganisation

Teils seien Täter in andere Bistümer oder ins Ausland versetzt worden, so die Forschenden. Die Flucht in andere Staaten sei durch kirchliche Netzwerke wie Caritas International gelungen. Höffner habe beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) Kontakte ins Ausland geknüpft.

“Die katholische Kirche ist Täterorganisation”, sagte Großbölting. Auch Laien hätten einen Priester als “heiligen Mann” betrachtet und zur Vertuschung beigetragen. Er kritisierte, dass die Aufarbeitung nur durch Druck von außen erfolgt. Neben den inzwischen umgesetzten Maßnahmen zur Prävention und Aufklärung müsse im Bistum nun auch eine Debatte über die Machtstrukturen folgen. Betroffene beklagten immer wieder auch Defizite in der Kommunikation des Bistums mit ihnen.

Gutachten als pdf

Aufarbeitungskommission untersucht sexuellen Kindesmissbrauch bei den Zeugen Jehovas

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs ruft Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auf, von ihren Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas zu berichten.

Berlin, 19.05.2022 Weltweit sind Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas bekannt geworden. Der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs wurden ebenfalls Fälle aus der Vergangenheit gemeldet. Die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas hat bislang keine unabhängige Aufarbeitung gestartet. Darum muss davon ausgegangen werden, dass diese Berichte heute immer noch relevant sind. Die Schilderungen von ehemaligen Mitgliedern lassen zudem darauf schließen, dass es bei den Zeugen Jehovas spezifische Bedingungen im Umgang mit sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen gibt, welche die Aufklärung und auch die Aufarbeitung erschweren. Bisher fehlen Kenntnisse über das Ausmaß sexuellen Kindesmissbrauchs in der Gemeinschaft in Deutschland.

Prof. Dr. Heiner Keupp, Mitglied der Kommission:

„Um mehr Wissen über sexuellen Kindesmissbrauch in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas zu erhalten, sind die persönlichen Erfahrungen von Betroffenen, aber auch von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen enorm wichtig. Darum möchten wir sie ermutigen, sich bei der Kommission zu melden und sich ihr anzuvertrauen.“

Wie können Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten?

Die Kommission bietet die Möglichkeit, in einer vertraulichen Anhörung in geschützter Atmosphäre über die Erfahrungen zu sprechen oder einen schriftlichen Bericht zu verfassen und ihr zu schicken. Alternativ zur vertraulichen Anhörung vor Ort kann das Gespräch online per Video durchgeführt werden.

Die Kommission geht mit allen Geschichten vertraulich um. Sie werden in pseudonymisierter Form von der Kommission ausgewertet und fließen in ihre Berichte ein.

Münchner Missbrauchsgutachten

Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) stellt Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising vor.

Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtliche Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising von 1945 bis 2019

https://westpfahl-spilker.de/…/WSW-Gutachten…

Erste Stellungnahme:

https://www.katholisch.de/artikel/32801-nach-gutachten-marx-bittet-um-entschuldigung-fuer-missbrauch-in-kirche

Portal mit 100 Geschichten Betroffener veröffentlicht

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs will Betroffenen eine Stimme geben und ihre Erfahrungen sichtbar machen. Dafür startet sie ein in Deutschland bisher einzigartiges Projekt: Ein Internetportal mit 100 Geschichten betroffener Menschen.

Mit ihren Berichten legen die Betroffenen ein vielfältiges Zeugnis ab über das erlebte Unrecht und Leid, aber auch über Hilfe in der Kindheit. Über die Folgen des Missbrauchs, aber auch über Kraft, Mut und Wege, das Geschehene zu bewältigen. Sie berichten unter einem Pseudonym von Missbrauch in der Familie, im sozialen Umfeld, im Sportverein, in der Schule, in der Kirche, im Heim oder auch in organisierten Strukturen.

„Jede einzelne dieser Geschichten ist wichtig und zählt. Mit dem Portal Geschichten, die zählen wollen wir einen würdigen Ort schaffen für die vielfältigen Berichte betroffener Menschen. Unser Dank und unsere Anerkennung gehören den Betroffenen, die sich uns anvertraut haben“, sagte Kommissionsmitglied Brigitte Tilmann zum Start des Portals.
Kommissionsmitglied Matthias Katsch ergänzte: „Nicht jeder betroffene Mensch kann über die sexuelle Gewalt in der Kindheit oder Jugend sprechen oder schreiben. Sie haben auch das Recht, darüber zu schweigen. Die Geschichten auf dem Portal stehen daher stellvertretend für die vielen nicht erzählten Geschichten“.

Das Geschichten-Portal leistet als Gedächtnisort einen bedeutenden Beitrag für die gesellschaftliche Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Es ist seit heute unter der Internetadresse www.geschichten-die-zählen.de erreichbar.

Verschickungskinder in NRW -Studie veröffentlicht

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hat am Montag (17. Januar 2022) eine Studie zur Vorbereitung der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Kinderverschickung vorgelegt. Bis in die 1990er-Jahre hinein sind Hunderttausende Heranwachsende aus Nordrhein-Westfalen von staatlichen Stellen zu mehrwöchigen Aufenthalten in Kurheimen, insbesondere an Nord- und Ostsee, verschickt worden.

Die Studie ist auf der Internetseite des MAGS hier verfügbar. Außerdem kann sie unter www.verschickungsheime.de auf der Seite der Initiative Verschickungskinder heruntergeladen werden.

Selbsthilfegruppe angesiedelt beim Kinderschutzbund

Nordkreis Nicht immer haben Kinder in Heimunterkunft verständnisvolle Unterstützung erfahren. Eine Selbsthilfegruppe, angesiedelt beim Kinderschutzbund, möchte Anlaufstelle für Betroffene sein, denen Schlimmes widerfahren ist.

Sie engagieren sich für Kinder, Jugendliche und Familien: Ernst Christoph Simon, Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe Ehemaliger Heimkinder in der Städteregion Aachen (SEHKA), und Ulla Wessels, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Würselen, Alsdorf Herzogenrath. Foto: MHA/Karl Stüber

Es gibt Bücher und Filme, Interviews und Berichte mit und über ehemalige Heimkinder, denen in ihrer Jugend Schlimmes angetan wurde. Es geht um Aufwachsen in Lieblosigkeit, kalte Strenge, die Erfahrung von Gewalt, Misshandlung und Missbrauch, schwere Arbeit und vorenthaltene Bildung. Das hat lebenslange Spuren hinterlassen. Aber es ist schon eine andere Qualität, einem der Betroffenen persönlich zu begegnen und zu erleben, welche Kraft und Mut dazu gehören, öffentlich über das eigene Schicksal zu sprechen – und obendrein anderen Opfern zu helfen. Ernst Christoph Simon ist einer von ihnen. Er ist ein Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe Ehemaliger Heimkinder in der Städteregion Aachen (SEHKA), die in der Geschäftsstelle des Kinderschutzbundes an der Bardenberger Straße in Würselen untergebracht ist (siehe Info). Der studierte Diplom-Betriebswirt ist zudem Mitglied im begleitenden Arbeitskreis ehemaliger Heimkinder beim Landschaftsverband Rheinland, der sich seit Jahren mit der Thematik befasst.

Da geht es unter anderem um Fragen der Anerkennung und der Entschädigung. „Die Selbsthilfegruppe hier befindet sich noch im Aufbau“, sagt Simon. Der Kinderschutzbund in Würselen mit Geschäftsführerin Ulla Wessels ist seit Herbst 2020 Anlaufstelle für die Region und bietet in Kooperation mit dem LVR Förderung bei allen Fragen rund um diese Zeit an. Verbunden ist damit ein Netzwerk von Betroffenen und Fachleuten. Traumatische Erlebnisse wollen aufgearbeitet werden, Betroffene wollen ihren Frieden finden – endlich. Für ältere ehemalige Heimkinder entsteht zusätzlich im Alter die „Bedrohung“ einer erneuten Heimunterbringung – jetzt in einem Alters- oder einem Pflegeheim. Info

Neben Ernst Christoph Simon sind weitere Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe Ehemaliger Heimkinder Professor Dr. phil. Ulrich Deller (Diplom-Pädagoge) . Kontakt zur Selbsthilfegruppe, die in der Bardenberger Straße 1 in Würselen angesiedelt ist, können Hilfe und Rat Suchende per E-Mail info@sehka.org oder unter 02405/426831 montags bis freitags jeweils zwischen 8 und 13 Uhr aufnehmen. Umfangreiche Informationen sind unter www.sehka.org zu finden.

„Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet“, sichert er zu und ermutigt Betroffene, sich zu melden. Die durch die Pandemie bedingten Einschränkungen haben die Arbeit zwar behindert. So sind die Angebote der Selbsthilfegruppe zunächst nur von wenigen wahrgenommen worden. „Wir wissen aber, dass ein großer Bedarf da ist.“ Gerade durch Berichterstattung zu Verschickungskindern und Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen kommen die Erinnerungen hoch. Zudem sind Opfer von damals mittlerweile in die Jahre gekommen, in denen man Lebensbilanz zieht und sich Verdrängtes wieder in den Vordergrund schiebt, alte Ängste und Gefühle inbegriffen.

Simon hat acht Jahre Heimerziehung erlebt, die er ohne den Beistand seines älteren Bruders nicht überstanden hätte, wie er bekennt. Sein erschütternder Bericht ist unter https://sehka.org/biografie nachzulesen. Sicherlich sind die Verhältnisse in den Heimen von damals nicht mit denen von heute zu vergleichen, betont Simon: „Subtile Quälerei gibt es aber immer noch.“ Strafen seien aber völlig ungeeignet, um Kinder gesellschaftsfähig zu machen. Er will dazu beitragen, Opfern Gehör zu verschaffen und ihnen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. „Es gibt uns. Wir sind da!“ Seiner Erfahrung nach gebe es eine „Machtasymmetrie“ in der Kinder- und Jugendhilfe. Freie Initiativen stünden in Konkurrenz mit der öffentlichen Jugendhilfe. Er tritt nun für einen „Austausch auf Augenhöhe“ ein.

Karl Stüber Aachener Nachrichten(ks)

Erzbistum Köln: 2,8 Millionen Euro für Gutachten zu Missbrauchsfälle

Das Erzbistum Köln hat sehr viel Geld rund um Gutachten über sexuelle Gewalt durch Geistliche ausgegeben – deutlich mehr, als bislang an die Opfer dieser Gewalt ging. Kirchenreformer sind fassungslos.

Es ist ein weiteres Detail der Aufarbeitungs-Versuche der katholischen Kirche, das Maria Mesrian von der Reformbewegung “Maria 2.0” fassungslos macht. Insgesamt 2,8 Millionen Euro hat das Erzbistum Köln nach eigenen Angaben rund um ein umstrittenes Gutachten zur Aufarbeitung von sexueller Gewalt ausgegeben.

Das sind sehr hohe Summen, so Mesrian – “wenn man die in Vergleich setzt mit Zahlungen, die bisher an Betroffene geleistet wurden, die sich auf rund 1,3 Millionen Euro belaufen, dann ist es eine erschreckende Zahl, die da ausgegeben wurde.”

600.000 Euro für Rechtsberatung, 800.000 Euro für Krisenmanagement

Weil ein erstes juristisches Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen nicht veröffentlicht werden sollte, wurde ein zweites bestellt. Kosten für beide Gutachten: 1,3 Millionen Euro. Dazu kamen fast 600.000 Euro für rechtliche Beratung. Weil dann die öffentliche Diskussion rund um den Umgang mit dem ersten Gutachten aufflammte, musste das Erzbistum nochmal viel Geld ausgeben: knapp 800.000 Euro für externes Krisenmanagement. Gesamtsumme: 2,8 Millionen Euro.

“Jeder Cent, der da bezahlt wurde, ist in meinen Augen sinnlos ausgegeben.”

Maria Mesrian von “Maria 2.0”

Maria Mesrian bei einer Kundgebung, bei der Gläubige aus dem Erzbistum Koeln und Aktivisten der Bewegung Maria 2.0 das Verhalten der Kirche und Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki bei der Aufarbeitung des Missbrauchskandal kritisieren.

Maria Mesrian bei einer Kundgebung im Sommer 2021

Die hohen Kosten seien gerade aus Sicht der Betroffenen besonders schmerzhaft, sagt Mesrian – die “müssen oft durch jahrelang erniedrigende Prozesse gehen, um 5000 Euro zu erhalten.”

Erzbistum Köln spricht von einer “ganz schwierigen Situation”

Dass 2,8 Millionen Euro rund um das Gutachten zur Aufarbeitung sehr viel Geld sind, räumt auch das Erzbistum Köln ein: “Das ist eine sehr große Summe, unser Delegat hat das ausdrücklich bedauert. Er hat es aber auch begründet mit der Ausnahme-Situation, die da geherrscht hat”, sagt Sprecher Christoph Hardt.

Die Aufarbeitung sei juristisch und publizistisch Neuland gewesen. Hardt betont aber, dass die Gelder nicht aus Kirchensteuermitteln gezahlt wurden. Sie kommen aus einem Sondervermögen des Bistums. “Es war eine ganz schwierige Situation – auch mit dem nicht veröffentlichten Gutachten.”

Maria 2.0: Mediale Ausnahmesituation als Begründung “lächerlich”

Das Erzbistum und Kardinal Woelki wurden im Zuge der Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe immer wieder massiv kritisiert – vor allem, weil das Bistum ein Gutachten wegen angeblicher juristischer Mängel im vergangenen Jahr zurückgehalten und stattdessen ein neues beauftragt hatte.

Dass die hohen Kosten im Erzbistum jetzt auch auf die mediale Ausnahmesituation nach dem Stopp des ersten Gutachten geschoben wird, findet Maria Mesrian fadenscheinig. “Es ist in meinen Augen natürlich lächerlich. Man hat einfach nicht das Gutachten bekommen, was man sich wünschte, nämlich ein Gutachten, in dem alle von ihren Verantwortlichkeiten freigesprochen werden.” Das Bistum habe damit nicht umgehen können, “dass die Medien einfach berichtet haben, was da an Unstimmigkeiten vor sich geht.”

Hoffnung auf weitere Aufarbeitung

Die mediale Ausnahmesituation im Erzbistum Köln hat sich mittlerweile etwas gelegt. Päpstliche Gutachter hatten im Sommer den Umgang der Bistumsleitung mit den Missbrauchsfällen untersucht und Kardinal Woelki Fehler attestiert – der daraufhin entschied, bis Ostern eine Auszeit zu nehmen. Maria Mesrian und viele andere Reformer in der Kirche reicht das nicht aus. Sie hoffen, dass die Aufarbeitung rund um die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche weitergeht.

https://www1.wdr.de/nachrichten/erzbistum-koeln-kosten-gutachten-100.html

Diskussion um die Musterverordnung

Wieder hat die EKD eine Musterordnung über Einordnung über die sexualisierte Gewalt veröffentlich.

Wir sehen das anders:

Es ist schwer sich mit mächtigen und reichen Institutionen (asymetrische Machtverhältnisse) auseinanderzusetzen, die offensichtlich kein rechtes Interesse an Aufklärung haben.

Solange dieses asymetrische Machtverhältnis besteht, ist diese ganze Musterveordnung eine Farce

Wir müssen davon weg kommen, das die Täter wieder die Opfer bestimmen!!