Evangelische Kirche: 9.355 Missbrauchsopfer – 3.500 Beschuldigte

Seit Jahrzehnten hat es auch in der Evangelischen Kirche sexualisierte Gewalt gegeben. Eine Studie offenbart nun das Ausmaß: Demnach wurden mindestens 1.259 mutmaßliche Täter dokumentiert. Wohl nur die Spitze des Eisbergs.

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat es in der Evangelischen Kirche in größerem Ausmaß gegeben als bislang angenommen. Ein von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragtes unabhängiges Forscherteam stellte in Hannover seine Studie vor, in der von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede ist. Das sei jedoch nur die „Spitze der Spitze des Eisbergs“.

Hochrechnung ergibt noch höhere Zahlen

Es gebe Kenntnisse über weitere Fälle, die aufgrund fehlender Informationen nicht hätten strukturiert erfasst werden können, heißt es in der Mitteilung des Forscherteams. Untersucht wurden den Angaben zufolge flächendeckend nur Disziplinarakten. In einer Hochrechnung, die aus Sicht des Forscherteams mit „sehr großer Vorsicht“ betrachtet werden muss, ergäbe sich eine Zahl von insgesamt 9.355 Betroffenen bei geschätzt 3.497 Beschuldigten.

Bislang war nur bekannt, wie viele Betroffene sich in den vergangenen Jahren an die zuständigen Stellen der Landeskirchen gewandt haben. Nach Angaben der EKD waren das 858.

Begründung der Kirche: Personalmangel

Wie Monitor weiter erfuhr, erklärten die Landeskirchen im Verlauf des Forschungsprojekts, nicht genügend Personal zu haben, um die geforderten Daten bereitstellen zu können. Die Folge: Während 2018 für das katholische Pendant, die sogenannte MHG-Studie, fast 40.000 Personalakten ausgewertet wurden, konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im neuen evangelischen Projekt nicht auf die gleichen Daten zurückgreifen.

Daraus ergibt sich ein reduzierender Effekt: Die anhand von Akten recherchierten Zahlen von Missbrauchstätern wird deutlich geringer ausfallen als es bei der eigentlich geplanten Personalakten-Analyse der Fall gewesen wäre. Auch die Zahl von Betroffenen droht laut den Recherchen von Monitor aufgrund der selektiven Datenlage unterschätzt zu werden.

Bei der Vorstellung der sogenannten ForuM-Studie am Donnerstag dürften die Hindernisse bei der Datenerhebung auch öffentlich benannt werden. Vorher wollten sich mehrere an der Studie beteiligte Wissenschaftler trotz Nachfrage von Monitor nicht dazu äußern.

Hier der Link der Studie falls nicht mehr vorhanden dann hier

Zusammenfasssung der Studie

Anmerkung zum Thema Heimerziehung

Heimerziehung kommt zwar vor wird aber nicht vertieft.

Den Tätern*innen wird vergeben…

  • „EKD und Diakonie bitten ehemalige Heimkinder um Verzeihung“
  • „zu der entsprechenden konfessionellen Zwangsmissionierung vor dem Hintergrund einer konfessionellen Rettungspädagogik mit ihrer problematischen Verbindung aus geforderter hingebender Liebe und autoritär strafender Zucht“
  • „Zum Runden Tisch Heimerziehung führte der Ratsvorsitzende aus, es sei eine wichtige Erkenntnis, dass die Misshandlung vieler Heimkinder in den 50-er und 60-er Jahren nicht einfach individuellen Übergriffen zuzuschreiben, sondern auch durch eine ‚zum System gewordene Erziehungskonzeption‘ bedingt sei“
  • Sexualisierte Gewalt in Institutionen: 
  • Sexualisierte Gewalt findet häufig in geschlossenen Systemen statt.  
  • Zeitliche Schwerpunkte der Missbrauchsfälle in Institutionen sind die Jahre zwischen 1960 und 1980.  
  • Die Tabuisierung von Sexualität und Macht steht mit Gewaltverhältnissen in Zusammenhang.  
  • Die Mehrzahl der Einrichtungen, in denen Gewalt ausgeübt wurde, ist in kirchlicher Trägerschaft.  
  • Betroffene der älteren Vergangenheit sind vorwiegend männliche Kinder und Jugendliche.  
  • Gewalterfahrungen von Heimkindern wurden erst spät bekannt gemacht.  
  • Sexuelle Übergriffe durch gleichaltrige und ältere Kinder sowie Jugendliche in stationären Einrichtungen stellen eine erhebliche Gefahr dar. 

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